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Bekommen Sie genügend Selen für Ihre Schilddrüse und Ihren Energiestoffwechsel?

Bekommen Sie genügend Selen für Ihre Schilddrüse und Ihren Energiestoffwechsel?Selen ist ein Spurenelement, das eine entscheidende Rolle für die Funktion der Schilddrüse und die Produktion von Schilddrüsenhormonen spielt. Es schützt die Schilddrüse zudem vor Schäden durch oxidativen Stress – wie ein Übersichtsartikel im Archives of Endocrinology and Metabolism hervorhebt. Doch wie viel Selen benötigen wir tatsächlich für die Schilddrüse und die vielen weiteren selenabhängigen Prozesse im Körper?

Die Schilddrüse befindet sich im vorderen Halsbereich und produziert Hormone, die den gesamten Energiestoffwechsel des Körpers regulieren. Interessanterweise enthält die Schilddrüse pro Gramm Gewebe mehr Selen als jedes andere Organ. Das liegt daran, dass Selen Bestandteil zahlreicher selenabhängiger Proteine ist, die als essenzielle Enzyme und antioxidative Schutzstoffe fungieren.
Für die Produktion der Schilddrüsenhormone benötigt die Schilddrüse Jod. T4 (Thyroxin) enthält vier Jodatome, T3 (Trijodthyronin) drei. Die Schilddrüse bildet hauptsächlich T4, ein inaktives Vorläuferhormon. Wird Energie benötigt, wandeln selenabhängige Enzyme, sogenannte Deiodinasen, T4 in das aktive Hormon T3 um, indem sie ein Jodatom entfernen. T3 erleichtert die Aufnahme von Sauerstoff in die Zellen, damit diese Kalorien aus der Nahrung in Energie umwandeln können – ein Prozess, der mit dem Anfachen eines Feuers durch Sauerstoff vergleichbar ist.
Aus diesem Grund ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen T4 und T3 essenziell, damit der Stoffwechsel – unter Mitwirkung von Jod und Selen – optimal auf die Bedürfnisse des Körpers reagieren kann.
Selen trägt darüber hinaus zur Bildung leistungsstarker antioxidativer Enzyme bei, den sogenannten Glutathionperoxidasen (GPX), welche die Schilddrüse vor Schäden durch freie Radikale und oxidativen Stress schützen. Diese antioxidative Funktion ist besonders wichtig, da die Schilddrüse stark durchblutet ist und dadurch besonders anfällig für oxidative Schäden.
Der zitierte Übersichtsartikel beschreibt außerdem die vielfältigen Funktionen von Selen im Zusammenhang mit der Schilddrüse. Insgesamt ist Selen Bestandteil von etwa 25 selenabhängigen Proteinen, die für zahlreiche Prozesse im Körper und die allgemeine Gesundheit von großer Bedeutung sind – etwa auch bei der Neutralisierung und Ausscheidung von Umweltgiften wie Quecksilber.

Selenmangel kann Schilddrüsenerkrankungen und andere Gesundheitsprobleme verursachen

Immer mehr Menschen sind nicht in der Lage, genügend T4 in das aktive T3 umzuwandeln. Dies ist ein entscheidender Faktor für die zunehmende Häufigkeit von Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion), einer Erkrankung, die deutlich häufiger Frauen betrifft und mit zunehmendem Alter auftritt.
Die Hashimoto-Thyreoiditis – die häufigste Ursache für Hypothyreose – entwickelt sich oft schleichend und kann sogar mit einer vorübergehenden Schilddrüsenüberfunktion beginnen. Hashimoto ist ebenso wie Morbus Basedow (Graves’ Disease), der eine Überfunktion der Schilddrüse verursacht, eine Autoimmunerkrankung. Beide Krankheitsbilder sind durch chronische Entzündungen und oxidativen Stress gekennzeichnet, die verschiedene Teile der Schilddrüse schädigen können.
Laut dem Übersichtsartikel kann ein Selenmangel außerdem zu eingeschränkter Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen, zu Wachstumsstörungen während der Schwangerschaft und zu einem erhöhten Fehlgeburtsrisiko führen. Auch die Anfälligkeit für Virusinfektionen und damit verbundene Komplikationen steigt. Mehrere Studien deuten zudem auf einen Zusammenhang zwischen Selenmangel und verschiedenen Krebsarten hin – darunter auch Schilddrüsenkrebs.
Ein schwerer Selenmangel (weniger als 10 Mikrogramm täglich) kann die sogenannte Keshan-Krankheit verursachen – eine potenziell tödlich verlaufende Herzerkrankung, ausgelöst durch ein ansonsten harmloses Virus (Coxsackie), das mutiert. Ebenso kann es zur Kashin-Beck-Krankheit kommen, die zu Gelenk- und Knochendeformitäten führt.

Selenpräparate können Schilddrüsenerkrankungen vorbeugen und deren Behandlung unterstützen

Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Einnahme von Selenpräparaten bei Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis vorteilhaft sein kann. Die meisten Studien verwendeten Dosen zwischen 100 und 200 Mikrogramm täglich über einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten. Studien weisen zudem darauf hin, dass Dosen über 100 Mikrogramm erforderlich sind, um eine optimale Aktivität der selenabhängigen antioxidativen Enzyme (GPX) zu gewährleisten.
Auch bei Morbus Basedow konnten durch die Gabe von Selen Verbesserungen der Symptome und der Lebensqualität festgestellt werden. Eine tägliche Einnahme von 200 Mikrogramm Selen zeigte zudem positive Effekte bei der sogenannten endokrinen Orbitopathie, einer möglichen Begleiterscheinung von Basedow, die im schlimmsten Fall zu hervortretenden Augen und Sehstörungen führt.

Selenquellen, empfohlene Tagesdosen und Nahrungsergänzung

Selen ist in Fisch, Schalentieren, Innereien, Fleisch und Eiern enthalten. Auch Getreide, Kreuzblütler (wie Brokkoli, Kohl) und andere pflanzliche Lebensmittel liefern Selen – allerdings hängt der Gehalt stark von der Selenkonzentration im Boden ab, auf dem die Pflanzen wachsen. Paranüsse gelten als besonders selenreich. Dennoch liegt die durchschnittliche Selenzufuhr in Europa bei nur 20–35 Mikrogramm täglich – deutlich zu wenig.
In Dänemark liegt die offizielle empfohlene Tageszufuhr bei 55 Mikrogramm. Die neuen nordischen Ernährungsempfehlungen (Nordic Nutrition Recommendations) empfehlen jedoch höhere Werte: 75 Mikrogramm täglich für Frauen und 90 Mikrogramm für Männer.
Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass 100–200 Mikrogramm Selen täglich notwendig sein könnten, um die Schilddrüsenfunktion zu unterstützen, Krebserkrankungen vorzubeugen und andere selenabhängige Funktionen zu sichern. Bei der Auswahl von Nahrungsergänzungsmitteln wird empfohlen, Selenhefe zu verwenden, da diese eine Vielzahl organischer Selenverbindungen enthält.
Da eine übermäßige Selenzufuhr ebenfalls gesundheitsschädlich sein kann, hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) einen oberen sicheren Grenzwert von 300 Mikrogramm pro Tag festgelegt.

Quellen:

Luciana Sant’Ana Leone de Souza et al. Selenium nutritional status and thyroid function. Archives of Endocrinology and Metabolism, Februar 2025.

Selenium-Rich Foods Can Support Thyroid Health: Nutritionist, 2025.

Panida Potita et al. Selenium supplementation in inactive moderate to severe Graves’ orbitopathy patients: a randomized controlled trial. Orbit, 2024.

Fei Wang et al. Selenium and thyroid diseases. Frontiers in Nutrition, 2023.

Nordic Council of Ministers. Nordic Nutrition Recommendations, 2023.

 

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